Was läuft gut im Team und im Projekt? Und was nicht? Welche Maßnahmen lassen sich daraus ableiten? Retrospektiven sind eine perfekte Möglichkeit, um Motivation und Schwung in dein Unternehmen oder deine Agentur zu bringen. Wir zeigen dir, wie du eine Retro aufsetzt und was die Dos and Don’ts sind.
Eine Retrospektive (kurz: Retro) ist eine Art Rückschau, um gemeinsam in einer Gruppe, einem Team oder für eine komplette Organisation zu ermitteln, welche Erfolge in einem festgelegten Zeitraum erzielt wurden. Damit kannst du dein Projektmanagement oder die agile Softwareentwicklung auf den Prüfstand stellen, aber auch jeden anderen Bereich in deinem Unternehmen. Gleichzeitig klären Retro-Meetings die Frage, ob das Miteinander in den Teams tatsächlich so reibungsfrei funktioniert – und wie zufrieden deine Mitarbeiter:innen sind.
Die Grundregeln
Retros sind besonders effizient. Denn jede Einheit bietet genug Raum für Verbesserungsvorschläge, die gleich in konkrete Projekte überführt werden. Genau das macht Retrospektiven so wertvoll und nachhaltig. Retros erfolgen – richtig durchgeführt – auf eine Weise, die
- Jede und jeden aus der Gruppe oder dem Team zu Wort kommen lässt
- Raum für unterschiedlichste Formen von Feedback bietet, ohne dieses gleich zu bewerten
- Konstruktiv, zukunftsweisend, respektvoll und transparent ist
Retrospektiven eignen sich keineswegs nur für Unternehmen oder Agenturen, sondern auch für NGOs, Vereine, ehrenamtliche Gruppen, Open Source Initiativen oder soziale und politische Projekte. Gerade das Umfeld von Open Source oder auch WordPress schätzt Feedback-Schleifen, die an Retrospektiven angelehnt sind. Schließlich holt man damit das gesamte Entwicklungsteam ins Boot und legt Entscheidungsprozesse offen.
Retros taugen für technische Projekte genauso wie für die Verbesserung der Unternehmenskultur. Hier zunächst ein kleiner Überblick über die beiden Varianten:
Scrum Retrospektive
Retrospektiven kennt man klassischerweise aus der Projektmanagement-Methode Scrum. Vor allem Teams aus der Softwareentwicklung oder dem Webdesign setzen auf Scrum, denn es bietet einen Gegenpol zu klassisch hierarchisch organisierten Projekten der Art „Ich gebe vor, was du wann zu tun hast“. Bis zu einem gewissen Grad organisieren sich die Entwickler:innen bei Scrum selbst. Trotzdem gibt es feste Strukturen (etwa das Scrum Board) und festgelegte Zeiträume („Sprint“). Durch Unteraufgaben („Tasks“) wird das Ganze besonders flexibel und damit auch agil. Die Retro selbst läuft in fünf Phasen ab:
- Intro: Hier stimmt man das Team auf die Retro ein, legt die Ziele des Treffens fest, erläutert gegebenenfalls noch einmal den organisatorischen Ablauf oder führt neue Teilnehmer:innen ein.
- Daten sammeln: Dieser Schritt dient der Sammlung von Themen, die in der Retro beleuchtet werden sollen. Also Punkte, die gut liefen. Aber auch genauso jene, bei denen man sich eine Optimierung wünscht oder die für Konflikte sorgen. Hier ist zunächst alles an Input erlaubt – die gemeinsame Priorisierung erfolgt erst im Anschluss.
- Einsicht gewinnen: Die aufgenommenen Punkte werden gemeinsam diskutiert. Was sind die Ursachen für positive aber auch zu optimierende Entwicklungen? Was lässt sich daraus für die weiteren Projekte oder für die Zusammenarbeit im Team ableiten?
- Maßnahmen ableiten: Die Runde entscheidet gemeinsam, welche Verbesserungsmaßnahmen für die weiteren Sprints gelten sollen. Diese Maßnahmen sollte man dabei so konkret wie möglich formulieren („wer macht was bis wann“) und schriftlich festhalten.
- Abschluss der Retrospektive: Hier kannst du die Ergebnisse noch einmal zusammenfassen, letzte offene Fragen klären, alle Teilnehmenden abholen und quasi eine kurze „Retro der Retro“ machen.
Für manche Teams, Agenturen und Unternehmen ist diese sehr offene Form des Austauschs zunächst gewöhnungsbedürftig. Dann kann es passieren, dass zunächst wenig Feedback kommt, oder dass gar Konflikte und gegenseitige Vorwürfe auftreten. Das lässt sich vermeiden, dazu gleich noch einige Hinweise.
Über kurz oder lang sollten die Retrospektiven jedoch zu folgenden Verbesserungen führen:
- Zeitpläne in der Softwareentwicklung oder im Projekt lassen sich besser planen, eingrenzende Hürden werden beseitigt
- Das Unternehmen schafft die notwendigen Ressourcen technischer, struktureller oder personeller Art, um vernünftig arbeiten zu können
- Die Mitarbeiter:innen sprechen Konflikte offener an und lösen diese gemeinsam
- Das Team besinnt sich nicht nur auf das, was nicht läuft, sondern auf die positiven Punkte und auf die Prozessoptimierung
- Nicht nur technische Herausforderungen stehen im Vordergrund, sondern auch das Miteinander und Stimmungen im Team
Falls einzelne oder mehrere dieser Punkte nicht erreicht werden, kann man gemeinsam am Format, den Tools, den Entscheidungsprozessen, der Einbindung aller Teilnehmer:innen oder an der Moderation arbeiten. Oder das Team stellt fest, dass zunächst bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Das können etwa einheitliche Entwicklungsprozesse sein, oder auch eine bessere Kommunikation bzw. Motivation im Unternehmen.
Team Retro
Und damit kommen wir auch schon zur zweiten Funktion, die Retrospektiven haben können. Abseits von rein projektbezogenen Prozessen bzw. als Ergänzung zu Technik-Retros lassen sie sich nutzen, um den Zusammenhalt in der Agentur oder im Unternehmen zu stärken. Kein Team kommt ohne Konflikte aus. Entscheidend ist der offene und lösungsorientierte Umgang mit diesen, damit die Organisation nicht nur mit sich selbst beschäftigt ist oder in „Arbeit nach Vorschrift“ verharrt.
Freie Team Retros, die nicht in Scrum oder eine sonstige Methode eingebunden sind, nutzen vor allem folgende drei Fragestellungen:
- Was hat gut funktioniert? In welchen Fällen haben wir gut zusammengearbeitet und warum?
- Was hat nicht gut funktioniert? Wo lässt sich etwas in der Zusammenarbeit verbessern?
- Was, von dem wir uns eine Verbesserung erhoffen, werden wir ausprobieren? Wer kümmert sich um die Umsetzung und bis wann?
In diesem Fall ist eine Retrospektive weniger starr organisiert als bei Scrum. Im Prinzip kann das Team frei festlegen, in welchem Format die eben aufgeführten Fragen geklärt werden. Hilfreich sind jedoch ein regelmäßiges Format (etwa eine Rückschau alle zwei Monate), eine repräsentative Auswahl an Teilnehmer:innen, eine ausführliche Dokumentation sowie schriftlich fixierte Ergebnisse. Ebenso eine Person, welche die Einladung, Moderation und Aufarbeitung übernimmt.
Die Themen zu den Retros sollten von den Mitarbeiter:innen selbst kommen, dazu gleich noch mehr. Um diesen Prozess anzustoßen macht es Sinn, auch vorher schon regelmäßig Feedback einzusammeln. Und dabei sowohl Hilfestellung als auch Motivation zu leisten. Etwa im Rahmen von (gegebenenfalls anonymen) Umfragen oder durch eine spezielle Rolle im Unternehmen. Wie das aussehen kann liest du in unserem Beitrag zu Mental Health in Unternehmen.
Denn gerade Mitarbeitende, die zuvor in einem sehr hierarchisch strukturierten Unternehmen gearbeitet haben, sind es nicht gewohnt, offene und auch mutige Beiträge zur Unternehmenskultur zu leisten. In deinem Unternehmen wird sich nur dann etwas verändern, wenn es einen Rahmen gibt, in dem jede und jeder frei seine Meinung äußern kann.
Dos in einer Retro
Unabhängig von technischer oder eher kultureller Retro gibt es einige Voraussetzungen und auch Hilfsmittel, welche zum Erfolg des Meetings beitragen:
- Moderation: Bei der Sprint Retrospektive übernimmt diese Rolle der Scrum Master. Bei einer nicht-formellen Retro lässt sich diese Aufgabe frei bestimmen, vielleicht sogar im Rahmen einer Rotation.
- Flache Hierarchien: Wichtig ist, dass die Moderator:innen das Meeting als gleichberechtigte Teilnehmende leiten, nicht „von oben herab“. Gleiches gilt für Personen aus der Geschäftsführung oder sonstige leitende Angestellte.
- Regelwerk definieren: Wenn es bei der Durchführung von Retros zu Missverständnissen oder zu Streit kommt, dann hilft das Erinnern an gemeinsame Werte der Agentur oder des Unternehmens. Dies nicht als Verbotsliste, sondern in Form von Beispielen, die für eine positive Kommunikation stehen. Siehe etwa den Code of Conduct von Raidboxes.
- Verbindliche Absprachen: Dazu gehört es, Ergebnisse in einem Protokoll festzuhalten. Aber auch, Entscheidungen nicht über die Köpfe von abwesenden Personen hinweg zu entscheiden. Im Zweifelsfall muss die Runde der Teilnehmenden erweitert werden. Oder man lädt – je nach zu erwartenden Themen – Gäste aus anderen Abteilungen und Teams mit hinzu.
- Erfolgsmessung: Führen die bisher verabschiedeten Maßnahmen zu Verbesserungen? Falls nein, wie kann ein konkreterer Abschluss der Retro aussehen? Lassen sich die Erfolge nachweisen bzw. bemessen? Wird die Arbeitslast nachhaltig gesenkt oder bessert sich die Stimmung im Team?
Vor allem der letzte Punkt ist wichtig: Nur durch positive Ergebnisse verankert sich die Retro dauerhaft und wird von allen akzeptiert. Denn nicht alle aus deinem Team werden von Beginn an den Sinn der Retrospektiven verstehen. Der Vorwand „Das bringt doch eh nichts“ lässt sich nur entkräften, wenn Erfolge sichtbar werden. Und wenn du alle Rollen im Unternehmen regelmäßig abholst.
Don’ts einer Retro
Die Don’ts ergeben sich teilweise aus den oben genannten Punkten. Aber auch darüber hinaus lauern Risiken, wenn die Retrospektiven nicht gut durchdacht sind oder schwammig angeleitet werden:
Unproduktiver Kreis der Teilnehmer:innen
Hier ist Offenheit und manchmal auch Fingerspitzengefühl gefragt. Es schadet, wenn sich einzelne aus dem Team nicht einbezogen fühlen. Zu große Runden hingegen – oder bei einer zu hohen thematischen Durchmischung – werden schnell unproduktiv. Wenn sich einzelne Themen in der großen Runde nicht klären lassen, dann kann man sie gegebenenfalls in die kleineren Team-Retros geben.
Zu wenig Transparenz
Wenn andere Abteilungen das Gefühl haben, keinen Einblick in die Ergebnisse einer Retro zu erhalten, entstehen schnell Unruhe oder Frustration. Hier helfen öffentlich einsehbare Protokolle oder die regelmäßige Vorstellung der Resultate für alle. Das gilt ebenso für die Erfolgsmessung der verabschiedeten Punkte.
Geschützter Rahmen
Gleichzeitig sollte die Retrospektive selbst ein geschützter Ort sein, so dass es keine Vorbehalte gibt, darin Kritik zu äußern. Manche sprechen nur in einem derartigen Rahmen offen über das, was es zu verbessern gilt. Etwa innerhalb des eigenen Teams oder ohne die Führungsebene. Gegebenenfalls lassen sich die Retros aufsplitten, um hier die richtige Balance zwischen Transparenz und Schutzbedürfnis zu finden.
Zu strikte Vorgaben
Es sind immer die selben Teilnehmer:innen, die sich bei einer Retrospektive zu Wort melden? Vorschläge werden schnell abgeschmettert? Oder einzelne Ergebnisse stehen gar im Vorfeld schon fest? Das kann nicht funktionieren. Retros eignen sich nur für Agenturen und Unternehmen, in denen eine offene Kultur existiert.
Tasks sind ungenau definiert oder werden nicht nachgehalten
Die Frage „wer macht was bis wann“ ist äußerst wichtig. Retrospektiven erfordern es, dass der Kreis bei jeder umzusetzenden Idee Verantwortlichkeiten und Fristen definiert.
Zum Thema Nachhaltigkeit der Maßnahmen: Hier lohnt es sich, auf ein Projektmanagement-Tool zu setzen, in das die einzelnen Aufgaben eingetragen werden. Dann erkennst du jederzeit auf einen Blick, auf welchen Gebieten eine Retro gut läuft und wo nachgebessert werden muss. In deinem Unternehmen gibt es mehrere Retrospektiven? Dann lassen sich diese gegenseitig bemessen oder können gegenseitig Ideen austauschen.
Reine Technik, keine Kultur
Egal ob es sich um eine Sprint Retro oder um eine sonstige Variante handelt: Es geht nicht ausschließlich darum, rein technische Herausforderungen aufzulisten und zu lösen. Genauso sollte das soziale und kulturelle Miteinander im Team beleuchtet werden. Denn das eine (effizientes Arbeiten) funktioniert nicht ohne das andere (Teamgeist). Entwicklungsabteilungen tun sich manchmal schwer, beides miteinander zu verknüpfen. Dann helfen passende Trainings, siehe etwa unseren Blogbeitrag zur Gewaltfreien Kommunikation.
Unklare Struktur
Retros sollen den Freiraum schaffen, um auch über konfliktbehaftete Themen frei sprechen zu können. Trotzdem brauchen sie einen klaren Rahmen und eine feste Struktur. Dazu gehören Eckpunkte wie eine regelmäßige Durchführung, die Moderationsrolle, gegebenenfalls eine separate Rolle für die Dokumentation bzw. das Protokoll, ein Zeitmanagement sowie – sofern gewünscht – der Einsatz von speziellen Retro Tools. Dazu gleich noch ein Hinweis. Die fünf Phasen einer Retro (siehe weiter oben) helfen dir dabei, die Struktur einzuhalten.
Für alle genannten Punkte kannst du dir Hilfe holen, falls in deiner Agentur oder in deinem Unternehmen bislang nicht genügend Wissen vorhanden ist. Beispielsweise durch Schulungen oder durch externe Trainer:innen.
Retros @ Raidboxes
Wir bei Raidboxes nutzen gleich mehrere Formen der Retros, um uns zu organisieren. Zum einen die klassischen Scrum Retrospektiven unserer Produktentwicklung, durch die wir mittlerweile deutlich schneller agieren können. Weiterhin nutzen unser Support – und bald auch wir im Marketing – Team-interne Retros, um die Qualität fortlaufend zu verbessern.
Zudem etablieren wir derzeit ein Format, das alle Kolleg:innen bei Raidboxes mit einbezieht. Hier sind wir noch in der Findungsphase. Denn durch unser aktuelles Wachstum ist es gar nicht mehr so einfach, alle an einen Tisch zu bringen. Eine Idee, die wir prüfen: Jedes Team schickt zur unternehmensweiten Retrospektive jeweils zwei Stellvertreter:innen, im rotierenden Verfahren. So hätte jede und jeder die Chance, sich einzubringen.
Retros und Holokratie
Themen für die Retro
Die positiven Punkte sowie die Herausforderungen, die wir in dieses firmenweite Format einbringen, stammen teilweise aus unserer Mitarbeiter:innen-Umfrage. Diese führen wir alle sechs Monate durch. Die Priorisierung der Themen ist dabei recht einfach: Wir gewichten unter anderem danach, wie oft bzw. dringend ein Punkt innerhalb dieser Umfrage eingestuft wurde.
Ein anderer Ansatz kann es sein, Themen für die Retro vorab im Team zu sammeln. Wenn es zu viele Punkte für eine Retro sind, wird abgestimmt: Welche davon wollen wir besprechen? Alle anderen Einträge wandern dann automatisch in ein Backlog für die nächste Retro.
Retro Software: Echometer
Es gibt mittlerweile einige Werkzeuge, um eine Retrospektive softwaregestützt durchzuführen. Wir selbst arbeiten dabei mit Echometer, das Unternehmen hat seinen Sitz ebenfalls in Münster. Echometer ist ein Tool, das dabei hilft, eine Team Retro systematisch durchzuführen. Um dabei die Potenziale und Stimmungen deiner Mitarbeiter:innen zu erfassen.
Dabei kann man aus einem Pool von vorgefertigten und nach psychologischen Ansätzen ausgesuchten Fragen wählen, welche die Teilnehmenden beantworten. Alternativ dazu lassen sich auch eigene Fragen einreichen. Aus diesem Pool an Antworten führt Echometer dein Team dann Schritt für Schritt durch die Retrospektive. Ein besonderer Vorteil: Die Ergebnisse werden automatisch dokumentiert und lassen sich miteinander vergleichen. So erfährst du nach einigen Retros jederzeit, wo Verbesserungen eintreten, oder wo noch nachjustiert werden kann.
Quellen und weiterführende Links
Du willst Retros oder Scrum in deiner Agentur bzw. deinem Unternehmen einführen? Hier einige weiterführende Quellen:
- Sipgate Blog: Retrospektiven als Motor der Verbesserung
- Projektmagazin.de: Was ist eine Sprint Retrospektive?
- t2informatik.de: Methoden der Scrum Retrospektive
- echometer: Kreative Methoden für Online Retrospektiven
- Fehler bei der Einführung von Scrum
- Kompakte Einführung in Scrum