WordPress oder TYPO3? Diese Frage wird kontrovers diskutiert. Die Agentur d-mind setzt beide Systeme um. Wir sprachen mit Jens Fuchs über die Vorteile und Nachteile von WordPress vs TYPO3.
Dabei geht es um Punkte wie die Skalierbarkeit, Sicherheit oder die Umsetzung mehrsprachiger Projekte. Aber auch die Erweiterung mittels Plugins und Extensions spielt eine wichtige Rolle. WordPress hat seine Stärken, TYPO3 ebenso. Du kannst gerne mitdiskutieren: Nutze dazu die Kommentare am Ende des Beitrags.
Jens, wie entscheidet ihr, für welches Projekt welches CMS zum Einsatz kommt?
Oft haben die Kunden schon bei der Anfrage konkrete Vorstellungen bezüglich eines Systems. Ist dem so, dann ist dies gesetzt – vorbehaltlich einer technischen und preislichen Prüfung. Bei freier CMS-Wahl setzen wir bei mehrsprachigen Seiten sowie zunehmender technischer Komplexität gerne TYPO3 ein. WordPress nehmen wir eher für kleine bis mittlere Seiten.
WordPress für größere Projekte?
Mit WordPress lassen sich auch sehr umfangreiche Projekte umsetzen – mit der richtigen Performance im Hintergrund. So setzen etwa Reuters, BBC America oder die Hochschule Fresenius auf WordPress.
SEO und Mehrsprachigkeit
Bei starker redaktioneller Pflege, also laufend neuer Artikel mit Fokus auf die Suchmaschinenoptimierung (SEO), eignet sich WordPress. Vor allem durch das einfach zu bedienende Backend, insbesondere seit dem neuen Gutenberg Editor.
Funktioniert bei euren Kunden die Umstellung auf Gutenberg gut? Was muss man dabei beachten?
Wir hatten bis dato noch keine bestehenden Websites auf Gutenberg umgestellt, sondern ermöglichen in diesen Fällen die Auswahl zwischen Classic- und Block-Editor. Letzterer soll ja bis Ende 2021 unterstützt werden. Da der alte Editor nur Text und Bild unterstützt ist er prinzipiell aufwärtskompatibel. Den alten Textblock kann man auch mittels „Convert to blocks“ in Blöcke von Gutenberg konvertieren.
Redaktion mit Gutenberg
Persönlich finde ich den Gutenberg Editor gelungen, beim Copy&Paste aus Drittanwendungen wandelt er Listenelemente, Hyperlinks und Blöcke um – besser als andere Editoren. Auch das Drag&Drop funktioniert gut. Ein wesentlicher Unterschied ist die Konsequenz im Umgang mit eigenen Feldern (Advanced Custom Fields). Früher hatten wir diese Steuerelemente im Backend unter dem Inhalt platziert, heute bauen wir stattdessen flexibel einsetzbar Gutenberg-Blöcke.
Fangen wir mal mit den typischen Vorbehalten an. TYPO3 gilt als mächtig, aber teuer und schwerfällig. Unternehmen berichten mir immer wieder, dass selbst kleinste Änderungen von ihren Agenturen händisch entwickelt werden – mit hohen Kosten. Was ist da dran?
Die initiale Entwicklung einer Website bei gleichem technischen Anspruch wird sich nicht fundamental zwischen den Systemen unterscheiden. Bei Updates von alten TYPO3-Versionen gab es in der Vergangenheit jedoch enorme Aufwände. Vor allem dann, wenn man mit Fremdextensions gearbeitet hat, die nicht mehr weiterentwickelt werden. Das wurde in der Vergangenheit, auch bei uns, teils kurzsichtig gemacht.
Hier ist WordPress im Vorteil. Denn populäre Plugins werden ständig aktuell gehalten und aufgrund der Stückzahl meist auch kommerziell vertrieben. Bei weitgehendem Verzicht auf Fremdplugins bzw. -Extensions sehe ich inzwischen jedoch keinen riesigen Unterschied mehr.
WordPress punktet bei den Plugins
Wahr ist jedoch auch, dass in der Vergangenheit TYPO3 hochpreisiger angeboten wurde. Der Aufwand für Updates oder eine Erweiterung, die nicht mittels Extension abbildbar ist, kann vor allem Kunden schockieren, die nicht viel Erfahrung mit Agenturen haben. Große Kunden verstehen den Aufwand jedoch meist.
WordPress hat hingegen den Ruf, unsicher zu sein. Stimmt das? Und mit welchen Maßnahmen sichert ihr die WordPress Projekte bei euren Kunden ab?
Aktuell laufen offenbar ein Drittel aller Websites weltweit mit WordPress. Durch die hohe Verbreitung ist es für Hacker ein attraktives Ziel. Wir hatten jedoch seit Jahren keinen Hack mehr bei von uns entwickelten Seiten. Simple Maßnahmen sind:
- Invididuelles Datenbank-Präfix
- Salt-Key in der wp-config.php ändern
- Kein Username „admin“ als Admin, ein starkes Passwort
- Verzicht auf Fremd-Plugins und viermal pro Jahr Updates
- Gerne noch die Zugangsdaten in die Environment-Variablen setzen
- Eventuell den Admin-Bereich über die .htaccess doppelt sichern oder das Plugin Wordfence nutzen
Da die Hoster Backups selten lange vorhalten mache ich sporadisch noch Backups zur lokalen Sicherung. Erfolgreiche Hacks in der Vergangenheit kamen immer durch Fremdplugins. Also Augen auf bei der Wahl.
Eine weitere Erklärung für erfolgreiche Hacks und den Ruf, unsicher zu sein: WordPress wird im Vergleich zu TYPO3 oft auch von Laien mit mangelnder Absicherung aufgesetzt.
Cookie-Lösung, Backups und Child Themes
Was sind für WordPress deine wichtigsten Tipps und Plugin-Empfehlungen?
Advanced Custom Fields Pro ist das Plugin, ohne dass ich WordPress nicht einsetzen würde. Es ermöglicht individuelle Eingabemasken im Handumdrehen und ist gut dokumentiert. Wenn es doch mal mehrsprachig sein muss, so habe ich mit Polylang gute Erfahrung gemacht. Bei Verwendung des Bootstrap-CSS-Frameworks finde ich Bootstrap Blocks als Erweiterung für den Gutenberg-Editor toll.
Für die Umsetzung der neuerdings zwingenden Cookie-Richtlinie ist Borlabs Cookie momentan unser Mittel der Wahl. Übrigens nutze ich für eine Übersicht über alle unserer Seiten samt Version und verwendeter Plugins das Tool CMS Commander. Bei nicht zu großen Seiten ist hier auch ein One-Click-Backup möglich.
Mein Tipp: Wenn abzusehen ist, dass ein Kunde mehrere ähnliche Seiten erstellen lassen wird, dann erstelle ein Theme für ihn – mit den wichtigsten Einstellungen und dem Haupt-CSS. Auf Child-Theme-Ebene kannst du dann alles anpassen und ergänzen. Für das Deployen des Themes bei Änderungen lässt sich etwa auch Github nutzen. Ein weiterer Tipp: Bei einem Projekt sollte man die Folgekosten – in Form von Updates – dem Kunden gleich kommunizieren.
Vorteile von WordPress und Typo3
Wo siehst du persönlich die wichtigsten Vorteile von WordPress?
WordPress hat eine geringe Einstiegshürde, da der Anspruch an PHP nicht hoch ist. Es gibt bei Bedarf exzellente Fremdplugins. So gut wie alle Probleme, die man während der Entwicklung hat, hatte ein anderer auch schon. Insofern helfen das Forum oder Stack Overflow sehr oft weiter. Das Backend wird von Redakteuren gerne genutzt. Zur Not gibt es auf Youtube auch Lehrfilme für den redaktionellen Umgang.
Und was sind die Vorteile von TYPO3?
Die Skalierbarkeit und der Anspruch an Entwickler, ordentlich zu arbeiten. Nicht zu vergessen die nativ vorhandene Mehrsprachigkeit und eine granulare Rechteverwaltung. Beim Thema Sicherheit dürfte es aufgrund der geringen Verbreitung auch kein lohnenswertes Ziel für Hacker sein.
Worauf sollten Firmen achten, wenn sie eine Agentur für WordPress oder TYPO3 auswählen? Woran kann man aus deiner Sicht die Qualität einer Agentur festmachen und prüfen?
Das Alter der Agentur und die Größe des Teams können ein Hinweis auf gesicherten nachhaltigen Support sein. Vom Angebot her muss der Preis realistisch sein. Nimmt man das billigste Angebot, dann zahlt man später drauf. Ein transparenter Hinweis im Angebot auf die Betreuung nach dem Projektende sollte im Angebot ersichtlich sein.
Der Support zählt
Das betrifft Punkte wie den Support, die Antwortzeiten oder Updates. Ich würde zudem nach aktuellen Referenzprojekten schauen. Sind sie optisch ansprechend und DSGVO-konform? Daneben sollte man noch ein paar technische Feinheiten kontrollieren, das kann aber nicht jeder.
Wie kam es überhaupt, dass ihr auf beide Systeme setzt und euch nicht spezialisiert habt?
Mit TYPO3 macht man in der Regel große Projekte, deren technischer Anspruch hoch ist. Wir wollen große, schöne Projekte machen. Die gibt es aber nicht jeden Tag. Und so kam es, dass wir vor ein paar Jahren WordPress ins Portfolio aufgenommen haben. Wenn man sich die Marktanteile anschaut, kommt man auch kaum daran vorbei. Das machen inzwischen übrigens die meisten Agenturen.
Kannst du uns Projekte nennen, die so nur mit WordPress bzw. TYPO3 umsetzbar waren?
TYPO3 ist bei der Akademie für Lehrerfortbildung Dillingen das Mittel der Wahl gewesen, aufgrund der Masse an Beiträgen und der Komplexität. Bei unserem Hauptkunden Wirtschaftsförderung Region Stuttgart hat sich ein WordPress-Setup mit einem ständig weiterentwickeltem Haupt-Theme bezahlt gemacht. Hier können wir in wenigen Minuten eine neue Website initial aufsetzen. Prinzipiell lassen sich die meisten Seiten jedoch mit beiden Systemen umsetzen, oder auch mit anderen. Entscheidend ist weniger das System, sondern wie man es aufbaut.
Entwicklung für TYPO3 & WordPress
Habt ihr EntwicklerInnen, die WordPress und TYPO3 umsetzen? Oder braucht man hier jeweils eine spezielle Expertise?
Wir haben zwei Entwickler, die beides machen. Alle anderen sind auf ein System spezialisiert. Wenn es Richtung Frontend geht, ist der Switch einfacher möglich als bei der Backend-Entwicklung. Das hat natürlich auch mit der Auftragslage zu tun. Aber sinnvoller ist naturgemäß eine Spezialisierung.
Ein paar Worte zu dir und deiner Agentur? Sucht ihr noch EntwicklerInnen?
d-mind ist im schönen Stuttgarter Süden beheimatet, wir machen seit 1999 Websites. Aktuell sind wir 10 Frauen und Männer im Team, wobei der Schwerpunkt auf der Entwicklung liegt. Oft arbeiten wir auch im Hintergrund für andere Agenturen.
Wir suchen EntwicklerInnen, die im Web-Umfeld in der Lage sind, eigenständig Aufgaben zu erledigen. Gerne eine Synthese aus Planung, Front- und Backend. Spezifische CMS-Erfahrung ist meiner Ansicht nach nicht entscheidend, zumal WordPress erlernbar und gut dokumentiert ist.
WordPress vs TYPO3: Deine Fragen
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Beitragsbild: Domenico Loia
Vielen Dank für diesen tollen und sehr hilfreichen Artikel. Genau so eine Gegenüberstellung habe ich gesucht 🙂 Grüsse aus der Schweiz!
Angenommen Teilbereiche einer Webseite würde man ernst nehmen, z.B. SEO.
Kann Typo3 dann überhaupt mithalten abgesichts des absoluten Mangels an Entwicklern?
Klar, jede Typo3 Agentur sagt sie können alles Entwickeln, aber wie könnte eine Kunde überhaupt ohne fortlaufend zu investieren mit Typo3 noch bestehen? Ständig neue SEO Themen von itemProps, opengraph usw müssen ja bedient werden. Wie sollte das mit den wenigen existierenden Typo3 Devs je ein rollendes bzw. sich in allen Bereichen weiterentwickelndes System sein? Es gibt laut Google Trends weniger Typo3 NUTZER als es SEO Developer bei WordPress gibt.
Und wenn nicht SEO, dann gerne die Themen WAF oder APIs zu 3rd Party. Woher sollten diese Developer kommen? Wer bezahlt später die Entwicklung der API Anbindung an „diesen neuen Drittanbieter den wir unbedingt wollen“? Bei Typo3 doch immer der Endkunde, bei WordPress trägt es die Community.
Und warum ist die Typo3 Community so klein (Google Trends), wenn die angeblich so gut und offen ist?
Lieber Jan,
sorry, aber ich kann keine deiner Annahmen bestätigen noch verstehen.
Auch jede WP-Agentur sagt sie kann alles entwickeln. Und nicht falsch verstehen, aber ein WP-Entwickler der nur Plugins und fertige Themes installiert und anpasst bietet am Ende auch nicht die Qualität per se.
Grundsätzlich ist die Anzahl der Extensions auf TYPO3-Seite nicht klein. Zusätzlich gibt es ein Security-Team welches Exts auch auf Sicherheitslücken untersucht.
Noch kann ich bestätigen dass TYPO3 eine kleine Community hat. Ich bin mal ganz frech und sag einfach das WP eine große Community hat weil auch „nicht DEVs“ darunter sind die Websites mit „klicken“ erstellen.
Ich hab selbst 20 Jahre als TYPO3 Entwickler und Freelancer hinter mir und Mangel an Kollegen gabs nie. Gerade in DE gibt es zahlreiche gute Agenturen und Freelancer für TYPO3.
Beide Systeme haben ihre Berechtigung und ihre Nach- und Vorteile.
Beim Einsatz von WordPress daran denken:
– ein gutes, auf wordpress optimiertes Hosting ist sehr wichtig und Basis
– das Hosting soll auch One Klick Backup und Staging bieten
– Vorsicht bei Gratis-Themes und -Plugins wegen Unterhalt und Support
– nur Themes und Plugins mit hohen Nutzerzahlen einsetzen
– Theme und Plugins brauchen viel CSS-Anpassungen
– Updates fahren!
– Bilder nur optimiert einsetzen
– die Ladezeit optimieren ist nicht einfach
Trotzdem setze ich nur WordPress ein, weil die Lösungen sehr flexibel gebaut werden können.
„Wenn man sich die Marktanteile anschaut, kommt man auch kaum daran vorbei. Das machen inzwischen übrigens die meisten Agenturen.“ Ja, genau das sieht man … der Kunde steht nicht im Mittelpunkt. Manchmal muss der Kunde vor sich selbst geschützt werden. Die Aussage gleicht „Leute, fresst Sch**ße, Milliarden Fliegen können nicht irren!“. Und ein Kunde, der mit Verweis auf ausschließlich die Kosten etwas als zu teuer ablehnt (ohne die Nach-/Vorteile zu berücksichtigen), den lehne ich ab. Mit solchen hat man eh nur Ärger.
Interessanter Beitrag! 😊 Wir haben zu diesem Thema auch schonmal einen Artikel erstellt. Bei meinem letzten Gespräch mit dem Typo3-Geschäftsführer auf der DMEXCO wurde mir gesagt, dass er selber empfiehlt die Entscheidung Typo3 oder WordPress danach zu treffen, wie „Groß und Komplex“ das Endprojekt werden soll. Außerdem gibt es wohl auch rechtliche Reglementierungen, nach denen große Behörden / Konzerne nur auf eine CMS-Software setzen dürfen, die auch Service / Support anbietet, was bei WP nicht der Fall ist.
halleluja, endlich ein artikel
ohne dem klassischen cms bashing. danke.
ich selbst hab bisher 17 jahre mit TYPO3 gearbeitet und aktuell seit meiner rückkehr in eine anstellung ist wordpress das cms in der agentur. alle punkte im artikel kann ich so unterschreiben. vor allem durch acf wird wordpress in meinen augen als cms sinnvoll. womit ich leider noch immer nicht klar komme ist die seitendarstellung im backend. hier macht für mich die hierarchische darstellung eines seitenbaums wie in TYPO3 einfach mehr sinn als eine ungeordnete darstellung.
Sehr fundierte und ausführliche Darstellung der Unterschiede zwischen WordPress und TYPO3. Ich selbst war früher kein Fan von TYPO3, vor allem aufgrund der gefühlt größeren System-Komplexität. Durch neue Entwickler mit mehr TYPO3-Erfahrungen in unserem Team stehe ich heute jedoch auf einer anderen Position: Beide Systeme haben ihre Stärken und Schwächen. Und gerade bei Auftraggebern aus dem öffentlichen Sektor besteht eine große Vorliebe für TYPO. Geschätzt wird hier vor allem eine stabile und strukturierte Lösung, welche Komplexitätstreiber wie Multi-Site und Multi-Language problemlos handhabt. Was nicht heißt, dass man komplexe Projekte nicht mit WordPress umsetzen kann. Aber WordPress lässt es eben zu, dass an das einmal beauftragte, schöne Haus immer mehr Türmchen, Erker und ähnliche Plugins angebaut werden. Und die tragen nicht zu einer guten Website-Performance bei, worüber sich dann irgendwann auch der Auftraggeber wundert…
Ein interessantes Interview. Für mich die Kernaussage WordPress vs. Typo3: „Bei freier CMS-Wahl setzen wir bei mehrsprachigen Seiten sowie zunehmender technischer Komplexität gerne TYPO3 ein. WordPress nehmen wir eher für kleine bis mittlere Seiten.“