Das Arbeitszeitmodell der 4-Tage-Woche wird derzeit heiß diskutiert und ist Teil der New Work Bewegung. Wie der Name schon vermuten lässt, geht es bei dem Modell um die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf vier statt der bekannten fünf Tage. Dabei wird die Anzahl der Arbeitsstunden entweder verringert oder auf vier Tage verteilt.
Seit August 2021 testet Vereda, Agenturpartner von Raidboxes, die 4-Tage-Woche für sein Team. Das Unternehmen hat dabei gleichzeitig die Arbeitszeit von 40 auf 32 Stunden reduziert, Freitags bleibt die Agentur geschlossen. Mitgründer Julian Junghöfer erzählt uns, wie der Arbeitsalltag bei Vereda aussieht.
Julian, ihr habt in eurer Agentur die 4-Tage-Woche eingeführt. Wie kam es zu diesem Schritt? Und wie sind eure ersten Erfahrungen?
Aktuell arbeitet der Großteil der Unternehmen in Deutschland und weltweit fünf Tage in der Woche. Die 5-Tage-Woche sowie feste Arbeitszeiten haben eine lange Tradition und kommen noch aus der Zeit der Dampfmaschinen. Damals war die Arbeitswelt auf die Laufzeit der Maschinen angewiesen.
Wir haben von dem Konzept aus Belgien gehört und waren sehr angetan. Wir wollten das 4-Tage-Modell dann auch bei uns einführen und haben uns für eine sechsmonatige Testphase entschieden. Nach einem Jahr können wir sagen, dass wir in allen Bereichen davon profitiert haben.
Vor- und Nachteile der 4 Tage Woche
Was sind die konkreten Vorteile für eure Agentur und das Team?
Produktivere und kreativere Mitarbeiter:innen
Am deutlichsten merken wir eine Steigerung der Produktivität von unseren Mitarbeitenden. Produktivität und Leistung sind nicht eingebrochen, sondern zusätzlich gestiegen. Zudem steigt auch die Kreativität jedes einzelnen Mitarbeitenden, durch mehr „me-time“.
Gesündere Mitarbeiter:innen
Ein dritter freier Tag in der Woche wirkt sich positiv auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen aus. Eine bessere Work Life Balance verringert Stress, was zu weniger Krankschreibungen führt und somit eine effektivere Arbeitsweise ermöglicht.
Mehr Flexibilität für Mitarbeiter:innen
Ein zusätzlicher freier Tag macht es für uns einfacher, Privates und Arbeit zu kombinieren. Wichtig ist auch, dass Flexibilität erwiesenermaßen die Produktivität fördert.
Gesteigerte Attraktivität als Arbeitgeber
Als Agentur, die ihren Mitarbeiter:innen eine 4-Tage-Woche anbietet, heben wir uns von anderen Unternehmen ab und steigern somit unsere Attraktivität als Arbeitgeber. In Branchen mit Fachkräftemangel zum Beispiel können Unternehmen so potenzielle Mitarbeiter:innen von sich überzeugen.
Es gibt auch Kritik an dem Modell, da die Arbeit ja nicht gleichzeitig weniger wird. Was macht ihr, damit sich der Druck auf die Mitarbeiter:innen nicht erhöht?
Die Einführung einer 4-Tage-Woche setzt Prozessoptimierungen voraus. Der Workload ist nicht höher geworden sondern gleich geblieben. Es geht darum, dass wir unsere Arbeitsweise verändert haben und somit in kürzerer Zeit die gleiche Arbeit leisten können. An dieser Stelle muss man immer nur nach dem “Wie?” fragen. Und ebendieses hat sich in unseren Köpfen geändert.
Attraktive Arbeitgeber und Nachwuchskräfte
WordPress Agenturen suchen händeringend Nachwuchskräfte. Habt ihr mit dem neuen Modell mehr Bewerbungen? Wie schafft ihr es generell, euch als Arbeitgeber attraktiv zu machen?
Wir leben in unserer Agentur “New Work” nicht nur mit der 4-Tage-Woche, welche natürlich ein großer “Bewerbermagnet” ist. Als Arbeitgeber bieten wir noch weitere Vorteile, wie z.B. jeden Tag frisches, selbstgekochtes Mittagessen mit dem gesamten Team, abwechslungsreiche Teamevents und die Möglichkeit, jederzeit von wo auch immer arbeiten zu können.
Ihr habt euch dazu entschlossen, Ausbildungsbetrieb zu sein. Weshalb? Und wie hoch waren die administrativen Hürden auf dem Weg dahin?
Uns ist es wichtig, den Nachwuchs zu fördern und uns auch selbst um unseren Nachwuchs zu kümmern. Um ein Ausbildungsbetrieb zu werden ist es nur Voraussetzung, dass man von der IHK als geeignete Ausbildungsstätte anerkannt wird. Und dass ein Mitarbeitender persönlich und fachlich geeignet ist, die Ausbildung zu leiten, also einen Ausbilderschein hat.
„*“ zeigt erforderliche Felder an
Unternehmenskultur und Mitarbeiter:innen
Vereda setzt sich für Diversity und das Gendern ein, Duzen statt Siezen ist bei euch Programm. Wie kommt es, dass ihr so stark auf Werte setzt? Und wie kommt das bei euren Kund:innen an?
Wie kann man heutzutage nicht stark auf Werte setzen? Wir sind eine junge Agentur und somit ist uns nicht nur Diversität wichtig, sondern besonders auch unsere Werte (mutig, effizient, transparent, persönlich, professionell und begeistert). Das Duzen ist ein Beispiel für die persönliche Ebene, auf der wir mit unseren Kunden kommunizieren möchten. Und das kommt durchweg bei allen sehr gut an.
Im technischen Umfeld ist es schwierig, Frauen als Fachkräfte zu finden. Wie geht ihr hier vor?
Grundsätzlich ist uns das Geschlecht der Mitarbeitenden völlig egal, wir haben keine Frauenquote oder suchen gezielt nach bestimmten Mitarbeiter:innen. Wir freuen uns über jedes Teammitglied, das uns mit seinen fachlichen Fähigkeiten unterstützt.
Über Vereda
Ein paar Worte zu dir und Vereda?
Ich bin Mitgründer von vereda und baue Websites, seit ich 11 Jahre alt bin. Dabei habe ich von Eigenprogrammierungen über Homepage-Baukästen bis hin zu Content Management Systemen vieles ausprobiert und weiß inzwischen, was wirklich gut funktioniert.
Schon damals habe ich gemerkt, dass die meisten Websites (insbesondere auch von Agenturen) komplett ohne Strategie und Anforderungskatalog gebaut werden und deswegen nicht auf die gesteckten Ziele einzahlen. Außerdem ist das Agenturgeschäft bekannt für lange Arbeitszeiten (auch am Wochenende) und viel Deadline Druck.
Um dem entgegenzutreten haben wir die Digitalagentur vereda gegründet. Dazu wurde ich in den letzten Monaten auch als Experte von verschiedenen Medien (u.a. WDR und ProSieben) interviewt. Inzwischen haben wir über 100 Kunden erfolgreich begleitet, darunter unter anderem die Hafenkäserei aus Münster oder der branchenbekannte Oberflächenhersteller Elesgo.
Deine Fragen zur 4-Tage-Woche
Welche Fragen an Julian zur 4-Tage-Woche hast du? Oder wie ist deine Meinung zu dem Modell? Nutze gerne die Kommentarfunktion. Du willst über neue Beiträge zum Thema New Work informiert werden? Dann folge uns auf Twitter, Facebook, LinkedIn oder über unseren Newsletter.
Hi, tolles Interview! Ich interessiere mich sehr für das Thema alternative Arbeitsbedingungen und habe mich gefragt: funktioniert das genauso gut, wenn die Stundenzahl reduziert wird und es bei 5 Tagen bleibt? Hast du (Julian) da noch einen Testlauf ausstehen?
Es gibt ja auch Ansätze mit einem Modell „4 Stunden pro Tag, 5 Tage pro Woche, aber ohne jegliche Pause“, was hältst du nach deinen bisherigen Erfahrungen von dieser Idee?
Hallo Patrick,
in der Gründungsphase haben wir für die ersten 6 Monate 6 Stunden pro Tag über 5 Tage (30 Stunden pro Woche) gearbeitet.
Wenn man seinen Tag richtig effizient plant, kann es funktionieren. In der Regel macht man Abends aber doch nochmal Überstunden und kommt dann wieder auf 40 Stunden pro Woche.
Mit dem freien Freitag kann das unter der Woche auch passieren, jedoch kann man sich sicher sein, dass der 5. Tag frei ist.