Durch den European Accessibility Act (EAA) wird Barrierefreiheit für viele Websites Pflicht und das bereits ab dem 28. Juni 2025. In Deutschland drohen bei Verstößen Strafen von bis zu 100.000 Euro. Zugleich ist es aber mehr als eine rechtliche Notwendigkeit: Die Accessibility zu verbessern, hat handfeste und messbare Vorteile. Ein Beispiel: Suchmaschinenoptimierung.
Wie die beiden Themen zusammenhängen, zeige ich dir in diesem Artikel.
Was sagt Google zum Thema?
Als Erstes ist es wichtig zu verstehen: Barrierefreiheit ist heute kein direkter Faktor fürs Ranking etwa bei Google. Maßnahmen in diesem Bereich wirken sich dennoch auf verschiedene Weise positiv auf SEO aus.
So hat Google Sprecher John Mueller in einem offiziellen „Webmaster Hangout“ klargestellt, dass sie Accessibility nicht für die Suchergebnisse nutzen. Der Grund ist simpel: Laut Mueller ist es schwierig, diesen Faktor objektiv zu messen und automatisiert als Signal einzusetzen.
Aber wie du gleich sehen wirst, gibt es eben doch einen indirekten Zusammenhang, der sich sogar nachweisen lässt. Das ist auch logisch: Websites mit exzellenter Accessibility machen es Suchmaschinen zum Beispiel einfacher, die Inhalte richtig zu erfassen. Das gilt fürs Crawling, wenn etwa der Googlebot vorbeischaut, um neuen Content abzurufen. Das gilt ebenso fürs Indexing, wenn der abgerufene Content maschinengerecht aufbereitet wird.
Zugleich könnte Barrierefreiheit künftig eben doch zu einem direkten Rankingsignal werden. John Mueller zog hier den Vergleich zu den „Core Web Vitals“. Diese Kennzahlen machen das sonst eher nebulöse Nutzungserlebnis einer Website zumindest ansatzweise berechenbar. Sie sind seit 2021 ein Rankingfaktor.
So viele Menschen brauchen barrierefreie Websites
Dabei möchte ich an dieser Stelle betonen, wie viele Menschen von barrierefreien Websites profitieren. Nach Aussagen der Europäischen Kommission haben in der EU mehr als 80 Millionen Menschen eine Behinderung. Laut des deutschen Statistischen Bundesamts leben allein in Deutschland 7,9 Millionen Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung, also 9,3 Prozent der Gesamtbevölkerung. Bedenke außerdem, dass diese Zahlen allein Menschen mit einer permanenten Einschränkung erfassen. Hinzu kommen temporäre oder situative Behinderungen: Ein Beispiel ist hier eine Person mit einem gebrochenen Arm. Oder denke an jemanden, der unterwegs schnell etwas mit dem Smartphone in der Hand nachsehen will.
Technische Maßnahmen: Barrierefreiheit und SEO Hand in Hand
Schauen wir uns nun einige Verbesserungen an, die sich sowohl auf die Barrierefreiheit als auch auf das Thema SEO auswirken.
Semantisches HTML und Struktur
Semantisches HTML meint u.a. Elemente wie <header>, <nav>, <main>, <article>, <footer> etc. Sie machen deutlich, welchen Zweck die Bestandteile einer Webseite haben.
Ein weiteres Beispiel sind korrekte Überschriften-Hierarchien. So sollte es pro Seite nur eine Hauptüberschrift (<h1>) geben, gefolgt von h2-Abschnitten, h3-Unterpunkten usw.
➡️ Gut für Barrierefreiheit: Dies hilft beispielsweise Menschen, sich auf deiner Website zurechtzufinden, die sie per Screenreader besuchen.
➡️ Gut für SEO: Suchmaschinen verstehen den Aufbau und die Inhalte korrekt. Außerdem können sie das Thema und die Relevanz besser einschätzen.
Alt-Texte für Bilder
Ein Alternativtext beschreibt in aller Kürze den Zweck und Inhalt eines Bildes so, dass die darin enthaltenen Informationen auch dann klar werden, wenn man es nicht sehen kann.
➡️ Gut für Barrierefreiheit: Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen verstehen so, was ein Visual vermitteln soll. Oder denke an Nutzer:innen mit einer hakeligen oder langsamen Internetverbindung: Sie müssen nicht erst darauf warten, bis das Bild geladen ist.
➡️ Gut für SEO: Google & Co. beziehen diese Texte mit ein, um den Wert und das Thema eines Bildes zu verstehen. Das kann sich positiv auf den Gesamteindruck einer Seite auswirken und wird für die Bildersuche genutzt.
Aussagekräftige Linktexte
Der Text eines Links sollte deutlich machen, was sich auf der anderen Seite des Klicks findet und inwiefern es mit der aktuell aufgerufenen Seite zusammenhängt. Stattdessen sieht man häufig Dinge verlinkt wie „hier“ oder „mehr“. Besser: „Details zum Produkt XYZ“ oder „Grundlagen zum Thema SEO“.
➡️ Gut für Barrierefreiheit: Blinde Nutzer:innen können sich Links auf der Seite als Liste vorlesen lassen. Hören sie dann: „hier“, „hier“, „hier“, „hier“, „hier“, ist das wenig hilfreich … Auch eilige Besucher:innen finden sich durch sprechende Linktexte viel schneller zurecht.
➡️ Gut für SEO: Suchmaschinen bewerten nicht nur den Text einer Seite, sondern auch wie er mit anderen Inhalten verknüpft ist. Dazu zählen sowohl externe als auch interne Links und sowohl eingehende als auch ausgehende Links. Ein beschreibender Linktext wirkt sich deshalb positiv auf beide Seiten aus. Bedenke also, dass eine klare und durchdachte interne Linkstruktur Google & Co. hilft, Schwerpunkte und Themenkomplexe deiner Seite zu erfassen.
Seitentitel
Der Titel sollte klar und knapp wiedergeben, worum es auf der betreffenden Seite geht. Das gilt auch für die Homepage, die nicht einfach „Startseite“ heißen sollte. Stattdessen könnte sie benennen, worum es auf der Website als Ganzes geht. Beispiel: „Dachdeckermeister Schulze in Hintertupfingen – Startseite“.
➡️ Gut für Barrierefreiheit: Wer einen Screenreader nutzt, ist mit einem sprechenden Seitentitel gleich viel besser orientiert. Alle anderen Nutzer:innen profitieren ebenfalls, um sich etwa in diversen offenen Tabs zu orientieren.
➡️ Gut für SEO: Auch Google versteht besser, was das Hauptthema ist. Es beeinflusst auf diese Weise, welche Keywords die Suchmaschine damit verbindet. Der Titel kann zudem in den Suchergebnissen erscheinen: Gut gestaltet erhöht er hier idealerweise die Klickrate, was wiederum dem Ranking hilft.
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Transkripte für Audio und Video
Videos, Podcasts und ähnliche multimediale Inhalte brauchen Untertitel, Beschreibungen und Transkripte.
➡️ Gut für die Barrierefreiheit: Gehörlose Besucher:innen freuen sich über solche Zusatzinformationen, die den Inhalt auch für sie erfassbar machen. Außerdem gilt: Nicht jede Person hat immer Kopfhörer zur Hand oder kann einfach so einen Lautsprecher nutzen. Untertitel sind beispielsweise für Social Media Videos heute üblich – ganz unabhängig von gesetzlichen Vorschriften.
➡️ Gut für SEO: Suchmaschinen können zwar immer mehr, kommen aber weiterhin mit Text am besten zurecht. Transkripte geben ihnen somit deutlich mehr Material.
Keyboard-Navigation
Ein Webauftritt sollte ohne Maus bedienbar sein. Dann springt man beispielsweise mit „Tab“ durch Links, Buttons oder Formularelemente.
➡️ Gut für Barrierefreiheit: Eine so gestaltete Site hilft sowohl Nutzenden mit einem Screenreader als auch solchen mit motorischen Einschränkungen. Nicht zuletzt gibt es Profis, die am liebsten alles mit der Tastatur bedienen möchten.
➡️ Gut für SEO: Der Effekt ist hier indirekt. Der Gedanke: Um eine funktionale Navigation nur via Keyboard umzusetzen, musst du dein Layout sinnvoll und durchdacht strukturiert haben. Und das wiederum macht es Google & Co. leichter, die Inhalte zu finden und zu erfassen.
Flexibles Webdesign
„Mobile-friendly“ sollte das Layout deiner Website heute ja sowieso sein. Dabei muss sie sich nicht nur an einen kleineren Bildschirm anpassen, sondern vor allem an unterschiedliche Displaygrößen. Mit anderen Worten: Das Design reagiert flexibel und das sollte beinhalten, dass deine Besucher:innen u.a. die Schriftgröße selbst anpassen können.
➡️ Gut für Barrierefreiheit: Eine skalierbare Website mit ausreichend großen Klickzielen und gut lesbarer Schrift hilft Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen oder motorischen Schwierigkeiten. Ebenso praktisch ist das für alle, die unter nicht so idealen Bedingungen deine Website auf dem Smartphone abrufen, zum Beispiel im Bus auf dem Weg zur Arbeit.
➡️ Gut für SEO: Usability und User Experience gehören zu den Kriterien und Messwerten, die Suchmaschinen betrachten, um eine Seite zu bewerten. Hast du Zugang zur Google Search Console, wirst du sogar gewarnt, sollten Teile deiner Webpräsenz mobil nicht gut genug nutzbar sein.
Nutzerverhalten
Natürlich gibt es viele weitere Faktoren für gute Accessibility, wie dir Johannes Mairhofer in seinem Raidboxes Artikel zeigt. Auch hier ist der Zusammenhang zu SEO oft eher indirekt.
Ein Beispiel ist das Nutzerverhalten: Google sieht, wenn eine Person nach dem Klick auf ein Suchergebnis bald wieder zurückkommt. Dies kann als negatives Signal gewertet werden, vor allem wenn es regelmäßig und gehäuft auftritt. Denke hier etwa an zu lange Ladezeiten, schwer bedienbare Seiten, zu viel Werbung usw.
Insofern sind auch die oben schon genannten Core Web Vitals an dieser Stelle relevant. Eine lahme Website ist schließlich ein vermeidbares Hindernis. Schnelle Ladezeiten kommen am Ende allen Nutzenden zugute. Oder denke an überraschende Layoutverschiebungen während des Ladeprozesses, von Google „Cumulative Layout Shift“ genannt: Das erschwert nicht nur Menschen mit motorischen Schwächen das Leben, sondern ist für alle Nutzenden nervig und irritierend.
Studie: So wirkt Accessibility auf SEO
Klingt alles vernünftig, aber du bist dennoch skeptisch? Eine viel beachtete Studie in diesem Bereich stammt von Semrush in Zusammenarbeit mit BuiltWith und AccessibilityChecker. Sie haben über 800 Websites analysiert, nachdem sie ihre Barrierefreiheit gezielt verbessert hatten.
Ein wesentliches Ergebnis: 73% sahen einen Anstieg ihres organischen Traffics. Im Durchschnitt hatten sie 12% mehr Besuchende innerhalb weniger Monate. Bei den besten war es noch deutlich mehr: 7% der Websites sahen ihren Traffic um mehr als 50% anschwellen.
Zwar sind solche Ergebnisse keine stichhaltigen Beweise. Dazu hätte die Studie u.a. noch genauer darauf achten müssen, welche Maßnahmen ergriffen wurden. Auch die Ausgangslage und somit der Umfang der Verbesserungen spielte sicher eine Rolle.
Aber dennoch: Es scheint das intuitive Verständnis zu bestätigen, dass eine barrierefreie Website mehr Menschen erreicht und für alle Nutzenden besser funktioniert.
Barrierefreiheit verbessern: Mach dich an die Umsetzung
Falls ich dich jetzt überzeugen konnte, gibt es zwei weitere Artikel bei Raidboxes, die dir helfen, die Accessibility deiner Website zu verbessern.
Beau Peters zeigt dir, wie du die Barrierefreiheit einer Website überprüfst. Dabei hilft er dir, einen entsprechenden Audit umzusetzen und gibt Empfehlungen für passende Tools.
Und Maddy Osman wiederum hat sich mit WordPress Accessibility auseinandergesetzt. Sie gibt dir eine Checkliste an die Hand und stellt nützliche Plugins vor.
Fazit: Barrierefreiheit und SEO
Google mag gut gestaltete, nutzerfreundliche Websites. Das ist kein Geheimnis. Das offizielle Dokument „Grundlagen der Google Suche“ hat beispielsweise deutliche Überschneidungen mit den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) des World Wide Web Konsortiums.
Der schon am Anfang zitierte John Mueller hat etwa gesagt: Barrierefreiheit ist wichtig, da sie die User Experience beeinflusst. Denn wenn eine Website für bestimmte Menschen schlecht bedienbar ist, werden sie sie schnell verlassen, keine Empfehlungen aussprechen und insgesamt weniger Interaktion zeigen. John Mueller brachte das wie folgt auf den Punkt:
„In general though, when sites are hard to use, people steer away from them anyway, so over time things like recommendations and other signals tend to drop away, resulting in the site being less visible in search too.“
Auf Deutsch also: „Wenn Websites schwer zu benutzen sind, kehren Nutzer ihnen ohnehin den Rücken, und mit der Zeit fallen Empfehlungen und andere Signale weg, was dazu führt, dass die Seite in der Suche weniger sichtbar wird.“
Das alles passt gut zu Googles Standpunkt, solche Seiten zu belohnen, die ihren Nutzer:innen ein angenehmes und frustrationsfreies Erlebnis bieten. Oder wie die Suchmaschine es in ihren zehn Grundsätzen gleich an erster Stelle sagt: „Focus on the user and all else will follow“. Also: „Konzentriere dich auf die Nutzer:innen und alles andere folgt von selbst.“
Insofern ist Accessibility nicht der neueste SEO Trick. Es ist vielmehr eine Chance, deine Website für viele Menschen einfacher nutzbar zu machen und damit zugleich bei Suchmaschinen besser dazustehen.
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