Aufgepasst: Du hast noch rund neun Monate, um deinen Onlineauftritt für den European Accessibility Act (EAA) fit zu machen! Am 28. Juni 2025 endet die vierjährige Übergangsfrist für diese europaweite Richtlinie zur Barrierefreiheit. In diesem Artikel erhältst du einen kompakten Überblick zum EAA, erfährst die Hintergründe und bekommst praktische Tipps, worauf du jetzt unbedingt achten solltest.
Hinweis: Dieser Artikel gibt dir einen allgemeinen Überblick zur Richtlinie und den daraus abgeleiteten Gesetzen, speziell mit Blick auf Websites. Er ist keine Rechtsberatung und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Im Zweifel lies bitte direkt in den Vorschriften nach oder lass dich professionell beraten.
Was ist der European Accessibility Act (EAA)?
Die Grundidee des EAA ist, die Accessibility-Regeln der EU-Mitgliedsstaaten zu vereinheitlichen. In Deutschland ist die EAA-Richtlinie mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (kurz: BFSG) umgesetzt. In Österreich ist es das Barrierefreiheitsgesetz (BaFG). Das soll es Unternehmen letztlich einfacher machen, im europäischen Binnenmarkt aktiv zu sein oder wie es die Richtlinie in Artikel 1 beschreibt:
„Zweck dieser Richtlinie ist es, durch Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Barrierefreiheitsanforderungen für bestimmte Produkte und Dienstleistungen einen Beitrag zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts zu leisten, indem insbesondere durch unterschiedliche Barrierefreiheitsanforderungen in den Mitgliedstaaten bedingte Hindernisse für den freien Verkehr von Produkten und Dienstleistungen, die Gegenstand dieser Richtlinie sind, beseitigt werden bzw. die Errichtung derartiger Hindernisse verhindert wird.“
Wer nach dem 28. Juni 2025 gegen die Vorgaben des Accessibility Acts verstößt, muss mit teuren Strafen rechnen – in Deutschland bis zu 100.000 Euro. Doch später mehr dazu.
Welche Gründe sprechen für die Umsetzung des EAA?
Neben den anfallenden Strafen bei Nichteinhaltung gibt es sowieso gute Gründe, die Barrierefreiheit der eigenen Website zu optimieren. Denn am Ende des Tages geht es nicht nur darum, gesetzlichen Vorschriften zu genügen, sondern auch darum, seine Internetpräsenz für möglichst alle Menschen zugänglich und einwandfrei nutzbar zu gestalten.
Beispiele für Behinderungen, die sich auf die Nutzbarkeit von Websites auswirken können:
- Blindheit, Sehschwäche, Farbenblindheit
- Taubheit, Hörschädigungen
- Motorische Einschränkungen
- Verringerte kognitive Fähigkeiten
Wir sprechen hier zugleich über eine nicht gerade kleine Zielgruppe: Nach Aussagen der Europäischen Kommission haben in der EU mehr als 80 Millionen Menschen eine Behinderung. Laut des deutschen Statistischen Bundesamts leben allein in Deutschland 7,9 Millionen Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung, also 9,3 Prozent der Gesamtbevölkerung.
Die Bedürfnisse dieser Menschen zu ignorieren, war so gesehen schon immer eine schlechte Idee. Nicht zuletzt ethisch und moralisch falsch. Nun sorgt der Gesetzgeber mit zusätzlichem Druck dafür, dass diese Erkenntnis bei mehr Unternehmen ankommt.
Am Ende werden viele Menschen davon profitieren. Denn leicht nutzbare und gut verständliche Websites sind für alle ein Plus.
Wen betrifft der EAA?
Der European Accessibility Act dreht sich um zahlreiche Produkte und Dienste, die aus Sicht des Gesetzgebers besonders wichtig sind und für Menschen mit Behinderung besser zugänglich gemacht werden sollen. Zu den Produkten gehören beispielsweise Computer, Geld- und Fahrkartenautomaten, E-Book-Lesegeräte. Aber auch „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“ sind betroffen. Die definieren sich laut Artikel 3, Absatz 30 wie folgt:
„Ferndienstleistungen, die über Websites und auf Mobilgeräten angebotenen Dienstleistungen, elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden;“
Für den Begriff der Dienstleistung verweist der EAA auf die Richtlinie 2006/123/EG, in der sie definiert wird als „jede selbständige wirtschaftliche Tätigkeit, die in der Regel gegen Entgelt erbracht wird“. Das bedeutet, dass Online-Shops, aber auch Websites, die kostenpflichtige Dienstleistungen anbieten (z. B. Beratungen, Abonnements, Downloads), unter die Regelungen des EAA fallen.
Letztlich bezieht sich der Accessibility Act auf Websites, wenn darüber der Vertragsabschluss erfolgt. Bietet ein Unternehmen stattdessen allein eine Anfragemöglichkeit und der eigentliche Vertrag kommt erst später zustande, dürfte dies nicht mehr unter den Accessibility Act fallen.
Welche Ausnahmen und Sonderregelungen gibt es?
Wie oben beschrieben, dreht sich die Richtlinie um geschäftliche Tätigkeiten, die sich an Verbraucher:innen richten. Das bedeutet im Umkehrschluss zwei Dinge:
- Eine rein private Website ist nicht betroffen. Allerdings ist an dieser Stelle Vorsicht geboten, denn die Grenze zwischen privatem und geschäftlichem Angebot ist schnell überschritten.
- Außerdem ausgenommen sind Angebote, die sich ausschließlich an Unternehmen richten (B2B). Auch hier aber muss hieb- und stichfest sein, dass tatsächlich keine Verbraucher:innen zur Zielgruppe gehören.
Darüber hinaus fallen Dienstleistungen von „Kleinstunternehmen“ nicht unter den EAA. Gemeint sind damit Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielen bzw. deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft (Artikel 3, Absatz 23). Aber Achtung: Wer als Kleinstunternehmen relevante Produkte anbietet, muss diese trotzdem gemäß dem EAA gestalten. Wer aber Dienstleistungen über eine Website oder App anbietet, ist befreit.
Der Accessibility Act räumt darüber hinaus in bestimmten Fällen Ausnahmen ein:
Das gilt etwa, wenn die Einhaltung der Anforderungen entweder eine „grundlegende Veränderung“ des betreffenden Angebots erfordert (Artikel 14, Absatz 1, Buchstabe a) oder eine „unverhältnismäßige Belastung“ für den/die Website-Betreiber:in darstellt (Artikel 14, Absatz 1, Buchstabe b). Dafür braucht es einen klaren Nachweis inklusive Dokumentation. So heißt es in Artikel 14, Absatz 2, dass Unternehmen eine „Beurteilung“ vornehmen sollen, ob diese Punkte auf das eigene Angebot zutreffen. Diese müssen sie festhalten, für fünf Jahre aufbewahren und auf Verlangen vorlegen. Das geht aus Artikel 14, Absatz 3, hervor:
„Die Wirtschaftsakteure dokumentieren die Beurteilung nach Absatz 2. Die Wirtschaftsakteure bewahren alle einschlägigen Ergebnisse für einen Zeitraum von fünf Jahren ab der letzten Bereitstellung eines Produkts auf dem Markt oder nach der letzten Erbringung einer Dienstleistung, soweit zutreffend, auf. Auf Verlangen der Marktüberwachungsbehörden oder der für die Überprüfung der Konformität der Dienstleistungen zuständigen Behörden legen sie den Behörden eine Kopie der in Absatz 2 genannten Beurteilung vor.“
In Anhang VI des EAA finden sich übrigens konkrete Kriterien zur Beurteilung der „unverhältnismäßigen Belastung“.
Weitere Ausnahmen finden sich im EAA unter Artikel 2, Absatz 4. Genannt werden dort etwa „aufgezeichnete zeitbasierte Medien, die vor dem 28. Juni 2025 veröffentlicht wurden“. Darunter sollten etwa Webinaraufzeichnungen fallen. Außerdem finden sich in der Liste „Inhalte von Dritten, die von dem betreffenden Wirtschaftsakteur weder finanziert oder entwickelt werden noch deren Kontrolle unterliegen“. Hierunter dürften etwa eingebettete YouTube-Videos anderer fallen, die man selbst weder beauftragt noch bezahlt hat.
Außerdem findet sich hier eine Ausnahme für „Inhalte von Websites und mobilen Anwendungen, die als Archive gelten, das heißt deren Inhalte nach dem 28. Juni 2025 weder aktualisiert noch überarbeitet werden“. Hier ist zu beachten, dass dies nur dann zum Tragen kommt, wenn das gesamte Angebot nicht mehr aktualisiert wird.
Was ist jetzt zu tun und welche Anforderungen stellt der EAA an Websites?
Nachdem wir nun wissen, worum es geht, wen es betrifft und welche Strafen drohen, stellt sich am Ende die wichtige Frage: Was musst du nun konkret tun? Der EAA hat zur Folge, dass viele Unternehmen sich erstmals mit der Barrierefreiheit ihres Onlineangebots auseinandersetzen müssen und dieses gezielt untersuchen und im Zweifel verbessern müssen.
Tipp vorab: Mit dem BFSG-Check kannst du feststellen, ob dein Angebot unter die Accessibility-Regelungen fällt oder nicht. Er fragt einige der hier genannten Punkte ab.
Zur Beschreibung der Anforderungen verweist der EAA auf den Artikel 4 – Anhang I. Laut dessen Abschnitt III „müssen Websites einschließlich der zugehörigen Online-Anwendungen und auf Mobilgeräten angebotenen Dienstleistungen, einschließlich mobiler Apps, auf kohärente und angemessene Weise wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet werden“. Das ist gut zu wissen, aber nicht besonders konkret. Laut Artikel 15, Absatz 1, sollen die „harmonisierten Normen“ zur Anwendung kommen, die separat definiert sind. In Absatz 2 wird erklärt, dass „mehrere europäische Normungsorganisationen“ diese umsetzen sollen. Laut Wikipedia ist die Basis die Norm EN 301 549, die sich an den WCAG-Richtlinien orientiert. Die neueste Fassung ist V3.2.1 vom März 2021.
Es führt an dieser Stelle zu weit, auf alle diese Punkte und ihre Umsetzung einzugehen. Ich möchte dir stattdessen einige wesentlichen Anregungen und Beispiele mit auf den Weg geben:
Tipps zum Überprüfen der Barrierefreiheit deiner Website
Das Testen auf Accessibility (oder Barrierefreiheit) ist wichtig, um die Einhaltung der Anforderungen zu gewährleisten. In seinem Artikel gibt unser Gastautor Beau Peters dir praktische Tipps, mit denen du deine Website auf Accessibility testen kannst.
Wahrnehmbarkeit
Alle Informationen und Inhalte müssen für die Nutzer:innen wahrnehmbar sein, unabhängig von ihren sensorischen Fähigkeiten.
- Kontraste: Texte und grafische Elemente müssen ausreichend Kontrast zum Hintergrund aufweisen, um auch für Menschen mit Sehbehinderungen gut lesbar und erkennbar zu sein. Die EN 301 549 fordert einen Kontrast von mindestens 4.5:1 für normalen Text und 3:1 für große Texte.
- Textalternativen: Alle Nicht-Text-Inhalte, die essentielle Informationen vermitteln, benötigen Textalternativen. Dazu gehören Bilder, Grafiken, Buttons und andere interaktive Elemente.
- Untertitel und Audiodeskription für Videos: Videos mit voraufgezeichnetem Audioinhalt müssen Untertitel für gehörlose Nutzer:innen und eine Audiodeskription für blinde Nutzer:innen anbieten.
- Weitere Anforderungen: Die EN 301 549 enthält zusätzliche Anforderungen an Websites, wie flexible Schriftgrößen, die Vermeidung von Flackern und Animationen sowie die Möglichkeit, die Darstellung der Inhalte anzupassen.
Bedienbarkeit
Alle Funktionen der Website müssen einfach und intuitiv bedienbar sein, unabhängig von den motorischen Fähigkeiten der Nutzer:innen.
- Tastaturbedienung: Alle Funktionen der Website müssen ausschließlich über die Tastatur bedienbar sein, ohne dass eine Maus benötigt wird.
- Anpassbare Zeitvorgaben: Nutzer:innen müssen die Möglichkeit haben, Zeitlimits für bestimmte Aktionen anzupassen oder zu deaktivieren, falls diese auf der Website verwendet werden.
- Weitere Anforderungen: Die EN 301 549 definiert zusätzliche Anforderungen, wie ausreichend große Klickflächen, eine einfache Navigation, eine gut funktionierende Suchfunktion sowie die Vermeidung von komplexen Interaktionen.
Verständlichkeit
Die Inhalte und die Bedienung der Website müssen für alle Nutzer:innen verständlich sein, selbst bei eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten und Sprachkenntnissen.
- Klare und einfache Sprache: Die Sprache der Website muss klar und einfach sein und auf Fachjargon und komplexe Satzstrukturen verzichten.
- Weitere Anforderungen: Die Norm enthält weitere Anforderungen, wie eine logische Seitenstruktur, konsistente Navigationselemente, hilfreiche Fehlermeldungen und eindeutige Beschriftungen.
Robustheit
Die Inhalte der Website müssen so programmiert sein, dass sie sich von verschiedenen Browsern und assistiven Technologien zuverlässig interpretieren lassen.
- Valider Code: Der HTML- und CSS-Code der Website muss validiert sein und den aktuellen Standards entsprechen.
- Semantische HTML-Elemente: Die EN 301 549 fordert die Verwendung von semantischen HTML-Elementen, um die Struktur und den Inhalt der Website für Browser und assistive Technologien verständlich zu machen.
- Weitere Anforderungen: Die Norm definiert zusätzliche Anforderungen an die Robustheit von Websites, wie die Kompatibilität mit Screenreadern, die Verwendung von ARIA-Attributen und die Gewährleistung der Interoperabilität mit assistiven Technologien.
Wie du eine barrierefreie Website erstellst
Wie barrierefrei ist das beliebte CMS WordPress und wie wird auch deine WordPress Website für alle zugänglich? Unsere Gastautorin Maddy Osman erklärt es dir in ihrem Artikel.
Konsequenzen bei Nichtbeachtung
Die Richtlinie überlässt es den Mitgliedsstaaten, Strafen für Verstöße festzulegen. In Artikel 30, Absatz 2 heißt es dazu:
„Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Für den Fall, dass der Wirtschaftsakteur nicht Folge leistet, müssen diese Sanktionen auch von wirksamen Abhilfemaßnahmen flankiert sein.“
Absatz 4 ergänzt dazu:
„Bei den Sanktionen sind der Umfang des Verstoßes (unter anderem dessen Ernsthaftigkeit und die Zahl der betroffenen nicht konformen Produkte bzw. Dienstleistungen) sowie die Zahl der betroffenen Personen zu berücksichtigen.“
Die konkrete Bußgeldvorschrift findet sich im Fall des deutschen BFSG in Paragraph 37. Hier gibt es zwei Stufen:
- Schwerwiegende Verstöße wie das Inverkehrbringen nicht barrierefreier Produkte oder das Anbieten nicht barrierefreier Dienstleistungen können mit bis zu 100.000 Euro geahndet werden.
- Bei kleineren Verstößen, zum Beispiel gegen die Kennzeichnungs- oder Informationspflichten, können es bis zu 10.000 Euro sein.
Im österreichischen BaFG finden sich diese Informationen in Paragraph 36. Es kennt mehr Abstufungen als die deutsche Version:
- Schwerwiegende Verstöße können hier mit einer Geldstrafe bis zu 80.000 Euro geahndet werden. Bei kleinsten bis mittleren Unternehmen beträgt die Höchststrafe 50.000 Euro.
- Weniger schwerwiegende Verstöße können mit einer Geldstrafe bis zu 40.000 Euro geahndet werden. Bei Kleinstunternehmen und KMU liegt die Höchststrafe bei 25.000 Euro.
- Weitere Verstöße, beispielsweise gegen Informationspflichten oder Kooperationspflichten gegenüber Behörden, können mit einer Geldstrafe bis zu 16.000 Euro geahndet werden. Kleinstunternehmen und KMU müssen mit einer Höchststrafe von 10.000 Euro rechnen.
Sowohl in Deutschland als auch in Österreich bestimmt die zuständige Behörde die Höhe des Bußgelds.
Schlusswort
Mich erinnert der EAA ein wenig an die DSGVO: Auch dort ging es darum, Vorschriften EU-weit zu vereinheitlichen. Auch dort gab es eine mehrjährige Übergangsfrist. Damals schien es mir, als würden viele Unternehmen erst im letzten Moment reagieren. Lass es bei diesem Thema nicht soweit kommen und kümmere dich jetzt darum.
„*“ zeigt erforderliche Felder an