Zwischen 2022 und 2024 wird die EU eine ganzheitliche Mehrwertsteuerreform einführen. Um bis dahin für mehr Klarheit über Reihengeschäfte, innergemeinschaftliche Verbringungen und Konsignationslager zu sorgen, wird es die sogenannten „Quick Fixes“ als Sofortmaßnahmen geben.
Was sind diese Quick Fixes?
Die aktuellen Mehrwertsteuerregelungen der Europäischen Union sind tatsächlich nur eine vorläufige Lösung der EU – obwohl sie bereits seit Jahrzehnten bestehen. Mit einem Aktionsplan der Union, den sogenannten Quick Fixes, möchte sie nun den neuen Anforderungen der internationalen Vernetzung und Digitalisierung gerecht werden – und ganz nebenbei ein einfacheres Prinzip für die Mehrwertsteuer in Europa schaffen, das den Missbrauch einschränken soll. In diesem Artikel möchten wir dir zeigen, was das bedeutet, welche Schritte notwendig sind und wie du letztendlich davon profitieren kannst.
Vor den Quick Fixes für 2020 gab es bereits zum 1. Januar 2019 eine Gesetzesänderung für Online Plattformen und deutsche Händler: Für nicht bezahlte Umsatzsteuer haftet seitdem nicht mehr der Händler selbst, sondern die Online Plattform. Dadurch setzen Amazon, eBay & Co. künftig eine Bescheinigung nach § 22f voraus, die ihnen die korrekte Umsatzsteuerzahlung der Händler nachweist.
Von der jetzt kommenden Reform betroffen ist u.a. das Bestimmungslandprinzip. Das soll insofern abgeändert werden, dass keine Steuerbefreiung mehr im Herkunftsland einer EU-internen (bzw. innergemeinschaftlichen) Lieferung entsteht. Stattdessen entsteht die Umsatzsteuer im Land des Unternehmens, das die Leistung empfängt. In Hinblick auf Drittstaaten bleiben die aktuellen Regelungen aber bestehen.
Quick Fixes als Sofortmaßnahme gegen Missbrauch
Die Quick Fixes sind nur ein erster Schritt in Richtung neuer, endgültiger Regelungen zur Mehrwertsteuer in Europa. Sie treten am 1. Januar 2020 in Form von Sofortmaßnahmen in Kraft. In den Jahren 2022 bis 2024 sollen schließlich alle Maßnahmen greifen und die einheitlichen Gesetze rechtskräftig werden.
Die Sofortmaßnahmen dienen hauptsächlich dem Zweck, Betrug und Missbrauch zu vermeiden. Vor allem der innergemeinschaftliche Warenhandel soll von den Änderungen profitieren, indem er vereinfacht und Missbrauch erschwert wird.
Es gibt also ab 2020 viele Neuerungen mit Blick auf das europäische Mehrwertsteuersystem, die zum Beispiel Reihengeschäfte, innergemeinschaftliche Lieferungen und Konsignationslager betreffen. Was damit gemeint ist, erkläre ich dir gleich.
Welche Quick Fixes wird es demnächst geben?
Im Folgenden fassen wir die Änderungen der Reform für dich zusammen. Damit möchten wir dir einen Überblick darüber verschaffen, was du ab dem 1. Januar 2020 in deinem Unternehmen beachten musst – damit du
- Steuern sparst,
- rechtssicher arbeiten kannst und
- dir die Mühe sparen kannst, die neue Rechtsprechung selbst zu studieren.
EU-weite Richtlinien für Reihengeschäfte
Definition: Reihengeschäft
Bei einem Reihengeschäft sind nicht nur zwei Unternehmen an einer Lieferung beteiligt. Zusätzlich hilft ein Zwischenhändler bei der Beförderung der Ware. Man spricht von einem Reihengeschäft, wenn derselbe Gegenstand nacheinander geliefert und unmittelbar vom ersten Lieferer bis zum letzten Erwerber transportiert wird.
Erstmalig wird im Zuge der Quick Fixes eine EU-weite Richtlinie in Hinblick auf die Besteuerung des Mittelunternehmers eingeführt. Bisher haben sich die Steuern je nach EU Mitgliedstaat unterschiedlich zusammengesetzt – trotz gleicher Situation.
Anders verhält es sich, wenn die Beförderung des Zwischenhändlers auf Rechnung des ersten oder des letzten Unternehmers passiert: In diesem Fall wird der Versand der Ware eben dem ersten oder letzten Unternehmer zugeschrieben.
Was bedeutet das für dich und deinen Online Shop?
Onlinehändler sollten die unternehmensinternen Abläufe und Prozesse in Bezug auf die anstehenden Änderungen überprüfen. Müssen innerbetriebliche Anpassungen vorgenommen werden? Müssen internationale Verkäufe wegen der Reform neu kalkuliert werden?
Insgesamt sollen durch die Quick Fixes die Abwicklung der Mehrwertsteuer für Onlinehändler kostengünstiger und einfacher gestaltet werden. Und wer sich rechtzeitig informiert, kann davon durchaus profitieren.
Wie innergemeinschaftliche Lieferungen von der Steuer befreit werden
Definition: innergemeinschaftliche Lieferung
Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist eine grenzüberschreitende Lieferung von Waren und Produkten innerhalb der EU. Diese ist von der Umsatzsteuer befreit.
Künftig gelten verschärfte Voraussetzungen bei der Befreiung von Steuern innergemeinschaftlicher Lieferungen. Die materiellen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung dieser Lieferungen wird wie folgt ergänzt:
- Die Umsatzsteuer-ID des Erwerbers liegt vor.
- Der Erwerber ist in einem anderen EU-Mitgliedstaat für Mehrwertsteuerzwecke registriert als dem Land, in dem die Versendung ihren Ursprung hat.
- Die Umsatzsteuer-ID ist im MIAS-System (ebenfalls bekannt als VIES-System) erfasst.
- Die Lieferung ist korrekt zusammengefasst.
Sofern keine gültige Umsatzsteuer-ID des Erwerbenden vorliegt, wird die innergemeinschaftliche Lieferung sofort steuerpflichtig. Aktuell ist es noch so, dass lediglich Geldstrafen fällig werden, wenn die Regelung nicht beachtet wird. Eine Steuerpflicht entsteht dadurch bisher nicht.
Was bedeutet das konkret?
Für dich als Betreiber eines B2B Online-Shops bedeutet das, dass du jetzt bei der Abfrage der Umsatzsteuer-ID auf Nummer sicher gehen musst. Falls hier Fehler unterlaufen, droht dir eine Steuerpflicht – und damit realer Verlust von Geld. Damit in der Zusammenfassung innergemeinschaftlicher Lieferungen alle Angaben korrekt sind, sind unter Umständen neue, interne Strukturen und Prozesse notwendig – um bspw. mit Hilfe von WooCommerce und German Market eine sichere und regelmäßige Abfrage der Umsatzsteuer-ID des Erwerbenden tätigen zu können.
Nachweise von beteiligten Parteien
Außerdem müssen gemäß der Quick Fixes beide Parteien einer innergemeinschaftlichen Lieferung Nachweise erbringen. Dass sich diese nicht widersprechen dürfen, versteht sich dabei natürlich von selbst. Diese Nachweise können verschiedenster Natur sein: Seien es nun CMR-Frachtbriefe, Rechnungen des Spediteurs, Konnossements oder Luftfrachtrechnungen.
Ersatzdokumente für Nachweise
Sollte es aber nun doch so sein, dass nur ein Nachweis vorhanden ist, können als Ersatz für den zweiten Nachweis folgende Dokumente dienen:
- Bankunterlagen, die belegen, dass der Versand bezahlt wurde oder eine Versicherungspolice für den Versand.
- Offizielle Unterlagen, z.B. von einem Notar, die bestätigen, dass die Waren im Mitgliedstaat der Bestimmung eingetroffen sind.
- Eine von einem Lagerinhaber im Bestimmungsmitgliedstaat unterzeichnete Quittung, die die Lagerung der Waren bestätigt.
Vor- und Nachteile der Neuerung
Die neue Regelung hat für deutsche Unternehmen dabei folgende Vor- und Nachteile:
Negativ ist der erhöhte administrative Aufwand, da in Zukunft zwei Dokumente bzw. Nachweise erforderlich sind.
Positiv wiederum: Durch die Vereinheitlichung der Regelungen müssen jetzt nicht mehr die Gesetze der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten studiert werden. Stattdessen gibt es eine einfachere, vereinheitlichte Lösung. Steuerbetrug kann außerdem entgegengewirkt und ein fairer Markt gefördert werden.
Vereinheitlichte Regularien für Konsignationslager
Wenn wir uns die grenzüberschreitende Ausstattung von Konsignationslagern ansehen, stoßen wir europaweit auf unterschiedliche Regelungen und Nachweispflichten.
Definition: Konsignationslager
Konsignationslager sind Lager, die sich in der Nähe (d.h. mindestens im gleichen Staat wie) der Abnehmer befinden. Hier verbleibt die Ware so lange im Bestand des Verkäufers, bis der Abnehmer sie entnimmt.
Mit Einführung der Quick Fixes zur Umsatzsteuer im Jahr 2020 tritt eine neue europaweite Richtlinie in Kraft, die künftig Wettbewerbsverzerrungen ausschließt und ein klares, einfacheres Bild der Regularien zeichnet. Ganz egal, in welchem Mitgliedstaat der Europäischen Union sich ein Unternehmer befindet.
So gab es bisher ungeklärte Fragen zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage bei einem innergemeinschaftlichen Kauf und der anschließenden Lieferung.
Was wird sich ändern?
Dank der neuen Gesetze wird der Lieferant im Bestimmungsland um einige Registrierungs- und Erklärungspflichten erleichtert. Innergemeinschaftliche Lieferungen können in Zukunft unter folgenden Umständen angenommen werden:
- Die Ware wird in ein Konsignationslager in einem anderen Mitgliedstaat und von dort an einen anderen Unternehmer geliefert.
- Der Lieferant ist weder ansässig in einem Bestimmungsmitgliedstaat oder dort in der Gründung einer Betriebsstätte, zu der die Produkte transportiert werden.
- Dem Lieferer ist die Identität und die Umstatzsteueridentifikationsnummer des Abnehmers bereits bekannt.
- Der Lieferant und der Abnehmer haben jeweils ein einzelnes Register.
- Die Waren müssen binnen eines Jahres nach Einlagerung in das Konsignationslager an den Abnehmer geliefert werden.
In dem Fall ist es so, dass die innergemeinschaftliche Lieferung sowie der Erwerb erst dann erfolgen, wenn die Ware aus dem Konsignationslager entnommen wird. So ist es möglich, eine umsatzsteuerliche Registrierung des ersten Unternehmers im Bestimmungsland zu umgehen.
Angenommen, die Gegenstände werden im Lagerland in einem Zeitraum von zwölf Monaten zurückgesendet und der Vorgang wird entsprechend festgehalten: In dem Fall liegt kein Verbringen vor, obwohl die Anforderungen dafür erfüllt sind. Dadurch wird die Aufschubzeit zwischen Ein- und Auslagern der Ware auf zwölf Monate einheitlich festgelegt.
Zudem ist es nun möglich, den Abnehmer durch einen anderen Abnehmer zu ersetzen – gesetzt den Fall, dass diese Änderung im Register eingetragen wird und die anderen Voraussetzungen ebenfalls erfüllt werden.
Letztendlich ist es für die beteiligten Parteien somit vorteilhaft, dass sie flexibler und rechtssicher agieren können, wenn sie das Konsignationslager umsatzsteuerlich beurteilen möchten.
Vor- und Nachteile der Steuerreform?
Vorteile
- Strengere Ahndung von Steuerbetrug
- Fairer Wettbewerb
- Höhere Lieferschwellen
- Klare Definition von Konsignationslagern und Reihengeschäften
Nachteile
- Administrativer Aufwand
- Mehr Kontrolle und Nachweise
Fazit: Quick Fixes noch nicht das Ende
Zusammengefasst bedeutet das, dass die Quick Fixes in Hinblick auf die Umsatzsteuer nun in der gesamten Europäischen Union für klare Verhältnisse sorgen: kein langes Recherchieren mehr, wenn mit einem neuen EU-Mitgliedsstaat zusammengearbeitet wird, keine kostspielige Rechtsberatung und ein deutlich reduziertes Risiko in der Abwicklung.
Schließlich sind die geltenden Gesetze aus Deutschland bekannt und europaweit anwendbar.
Klar ist aber genauso: Die Quick Fixes sind erst ein erster Schritt in der Mehrwertsteuerreform und noch nicht das Ende. Eine ganz einheitliche Reform strebt die Europäische Union eben für die Jahre 2022 bis 2024 an. Bis dahin zeigen die Quick Fixes die Richtung auf, in die es geht – ganz egal, in welchem Mitgliedstaat.
Leider ist das Thema Quick Fixes besonders am Anfang recht kompliziert und erfordert einige Kenntnisse im Steuerbereich. Falls du weitere Fragen hast oder etwas noch unklar ist, lasse mir gern einen Kommentar da!
Bilder: Hello I’m Nik | Unsplash, hellotax
Hallo, sehr informativ, danke! Wie ist eigentlich die Situation mit innergemeinschaftlichen Dienstleistungen? Danke! Julia
Hallo Julia!
Prinzipiell muss man hier zwischen B2B und B2C unterscheiden, aber prinzipiell sind und bleiben innergemeinschaftliche Lieferungen nicht steuerbefreit.
B2B: Innergemeinschaftliche Dienstleistungen werden im Land des Kunden versteuert und die Steuer muss auch vom Kunden bezahlt werden (Reverse-Charge). Dementsprechend wird in der Rechnung des Dienstleisters nur der Nettobetrag angegeben und es wird keine Umsatzsteuer ausgewiesen. Das muss natürlich auf der Rechnung vermerkt werden, damit der Kunde von seiner Steuerschuldnerschaft erfährt. Die Kontrolle, ob die Steuer gezahlt wurde, erfolgt dann durch die bei der Steuerbehörde eingereichten zusammenfassenden Meldungen, auf der die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Kunden und der Nettobetrag der Dienstleistungen angegeben werden müssen.
B2C: Hier wird die Dienstleistung im Land des Dienstleisters versteuert, der „ganz normal“ die Umsatzsteuer in seiner Rechnung ausweist.
Liebe Grüße
Maxi von hellotax